L’escalier – Degustationsküche mit großer Weinkarte

Posted on 12. September 2014 von

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Es fällt mir diesmal schwer. Auf der anderen Seite gibt dieses samstägliche Essen Gelegenheit nachzudenken, was ich eigentlich von einem Essen erwarte. Obwohl ursprünglich aus evangelischem Hause stammend hat sich bei mir doch früh die Lust am Essen und Kochen Bahn gebrochen und so stehe ich auch dem kreativen Umgang mit Lebensmitteln und Rezepten aufgeschlossen gegenüber. Trotzdem habe ich den Anspruch etwas zu essen zu bekommen wenn ich Essen gehe – und nicht mit kleinen Spielereien abgespeist zu werden. Und das muß spätestens auf der Karte erkennbar sein. Schöne Erinnerungen habe ich noch an ein ausgewiesenes Degustationsmenü bei Dieter Müller. Jeweils zwei oder drei die Eckpunkte markierenden Varianten einer Speise wurden auf kleinen Tellerchen oder Schiffchen gereicht, begleitet durch einen wirklich passenden Wein. Schlicht und auf den Punkt! Das stellt für mich immer noch die Meßlatte für strukturell verwandte Angebote dar.

IMG_20140906_193134Anders im „L’escalier“. Hier beeindruckt schon der „Kleine Gruß aus der Küche“ durch seine Fülle und Unübersichtlichkeit. Hier einige Stichworte (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Panna cotta von Steinpilzen, Shitake ?, Erde von gebratenen Morcheln und Pumpernickel, Pfipperlinge, Buchenpilze, Reiscracker, gebeizte und gebratene Kammmuschel. Was möchte mir die Küche über diesem Gruß mitteilen?

IMG_20140906_200325Vorspeise: Kleine Variation von der Gänsestopfleber – Birne, Thymian-Brioche

Kleine Aufgabe für unsere Scharfsichtigen: Wo findet sich in der kleinen Variation zwischen brioch, crème brûlée und parfait denn die Birne?

IMG_20140906_205243Aber abgesehen davon ist die crème brûlée von der Gänseleber hervorragend und auch das parfait ist cremig und schmeckt nicht aufdringlich nach Leber. Wirklich gut gemacht. Bei den Portionsgrößen der genannten Komponenten hat man auch etwas im Mund und es lassen sich viel leichter Aussagen zum Geschmack machen.

Zwischengang: Tamarillo – Burrata, marokkanische Minze, Basilikum

Auch hier wieder die kleine Aufgabe: Wer lokalisiert die marokkanische Minze (Nanaminze) in diesem Gang?

Hauptgang: Französiche Wachtel – Laugenbrot, Allium, Johannisbeeren

Dessert: Aprikose – Saure Sahne, Limette, Zacapa-Rum

Der hype um die molekulare Küche ist nun wirklich vorbei. Die kleine Reminiszenz in Form einer Pipette, gefüllt mit einer homöopathischen Dosis Rum, konnte die Küche aber nicht unterdrücken.

Nach meinem Empfinden sind die Gerichte – so es sich nicht um deklarierte Degustationsgerichte handelt – überladen  und verzettelt. Will man bei dem Stil der Küche bleiben, so sollte dieser zumindest auf der internet-Seite beschrieben werden. Die dortigen Abbildungen zeigen aufgeräumte Teller was ich mit meinen Eindrücken nicht in Einklang bringen kann.

Alte Kochbücher soll man nicht wegwerfen. Was heute unmodern erscheint, mag in dreißig Jahren wieder der letzte Schrei sein. Gestern noch jubelten wird den Gimmicks der Molekularküche zu, heute wollen wir nicht mehr daran erinnert werden. Hier unterscheidet sich der aktuelle Küchenstil nicht von anderen Moden. Und vielleicht sollten wir vor jedem Küchenchef Respekt haben, der die Zeichen der Zeit erkennt und rechtzeitig auf eine dann neue Welle setzt.

Ich persönlich vermute, die Teller werden in einigen Jahren wieder aufgeräumter erscheinen und vielleicht wird der frei werdende Platz dann durch einen Überschwang an Dekorationen besetzt sein. Warten wir es ab.

Preis: Aperitiv, 4 Gänge Menü mit Weinbegleitung = 145 Euro
Zeitaufwand: glatte 4 Stunden

Brüsseler Str. 11
506764 Köln
http://www.lescalier-restaurant.de/